Joseph Haydn und Hainburg
oder
eine wenig bekannte
Beziehungsgeschichte
2. Teil: JOSEPH HAYDNS SCHULJAHRE IN HAINBURG
Mit dem Jahr (1737 oder) 1738 wird Hainburg auch für die Haydn-Biographen interessant – denn in diesem Jahr kam der sechsjährige Haydn-Seppl
hierher in die Schule zu seinem angeheirateten Onkel Johann Mathias Franck, der in Hainburg Schulrektor und Regens Chori, also Leiter der
Kirchenmusik, war. Bis 1740 sollte Joseph Haydn in der Familie dieses Mannes leben, dessen Qualitäten als Lehrer Haydn später sehr lobend und mit
großer Dankbarkeit hervorhebt – ein Lehrer, der das begabte Kind musikalisch „zu so vielerlei angehalten hat“, wobei es allerdings „mehr Prügel als zu
essen“ gab. Das mit dem Essen war ein gravierender Vorwurf, die Prügel nicht so sehr – sie wurden damals als absolut notwendiger Teil der Erziehung
betrachtet. In den "Instruktionen" des Rates der Stadt für den Schulrektor (im Hainburger Stadtarchiv erhalten) gibt es detaillierte Anweisungen bezüglich
Bestrafung der Schulkinder:
In seiner Autobiographie beschreibt Haydn, dass er schon mit 6 Jahren „ganz dreist“ einige Messen
vom Chor herab gesungen habe. Die Frauenstimmen bei den Messen wurden nämlich damals von
Knaben vorgetragen, getreu dem Bibelwort, dass die Frau in der Kirche zu schweigen habe. Der
kleine Joseph Haydn sang den „Diskant“ (Sopran) so gut, dass er von hier weg zu den Sängerknaben
von St. Stefan engagiert wurde. Deren Leiter, der k. k. Hofkapellmeister Reutter, war nämlich ein
enger Freund des Hainburger Stadtpfarrers Anton Johann Palmb. Wahrscheinlich aufgrund dessen
Empfehlung hörte sich Reutter in Hainburg die Stimme des Haydn-Seppl an – und holte ihn daraufhin
zu seinen Chorknaben nach Wien (im Jahre 1940).
Somit begann Joseph Haydns Weltkarriere eigentlich auf dem Chor der Stadtpfarrkirche von
Hainburg (der noch immer weitgehend unverändert erhalten ist, allerdings inzwischen mit neuer
Orgel).
Auch die Bänke dieser Kirche stammen noch aus der Zeit Haydns. Touristen und Kirchenbesucher
haben also in Hainburg die einmalige Gelegenheit, in einer der Bänke möglicherweise auf einem
Platz zu sitzen, den einstmals Joseph Haydn „besessen“ hat.
In der Pfarrkirche von Hainburg nahm erstmals ein
größeres Publikum die Musikalität des kleinen Haydn-
Seppl wahr.
Der Schulrektor soll die Kinder „mit Ruthen und Fehrl Streich“
(„Fehrl“ entspricht in etwa dem klassischen Rohrstaberl, „Streich“ = Schläge)
gehörig bestrafen, aber „nicht mit Ausraufung (von) deren Haaren
oder anderen ungebührlichen harten Streichen belegen“.
(Nur der Schulrektor selbst darf bestrafen, nicht seine
Gehilfen = Präzeptoren oder andere Leute.)
Auch Joseph Haydn dürfte diese Bestrafungen nicht wesentlich
nachgetragen haben - denn angeblich hing in seiner Wohnung bis zuletzt
ein Porträt des Hainburger Schulrektors Franck.
Ebenfalls durch Haydns Autobiographie bekannt ist die „Unsauberkeit“ im
Hause Franck. Wenn Joseph Haydn später erzählt, dass er mit Flecken
auf dem Gewand herumlaufen musste und „ein kleiner Igel“ war, so
könnte man sich fragen, ob die Hausfrau Juliana Franck so unordentlich,
oder Joseph Haydns Mutter so besonders ordentlich war – denn
Sauberkeit gilt ja nicht unbedingt als Kriterium der Barockzeit. Zum
Zeitpunkt, als der kleine Joseph Haydn in die Familie Franck kam, hatte
Juliana Franck gerade ihr zweites Kind geboren – das dritte folgte noch
während Haydns Schulzeit in Hainburg. So mag die Unsauberkeit im
Hause Franck möglicherweise in einer Überforderung der jungen Dreifach-
Mutter begründet gewesen sein. (Insgesamt hat das Ehepaar Franck zehn
Kinder, von denen vier früh sterben. Der einzige überlebende Sohn geht in
ein Kloster. Der Name Franck verschwindet also mit dem Tod von Johann
Mathias Franck aus dem alten Hainburg.)
Altes Schulhaus Ungarstrasse 3 = 2.
Haus von links; zu Joseph Haydns
Schulzeit war es nur so hoch wie das
Nachbarhaus rechts.
Im frühen 18. Jhd., als Seppl Haydn hier zur Schule ging, gab es vier unterschiedliche Unterrichtsstufen, nämlich: a) Erlernung des ABC, b) aus dem
Katechismus abschreiben, c) aus dem Evangelien-Buch abschreiben und (unterschiedliche) Schriften schreiben, d) Fraktur und Hauptschriften schreiben sowie
„völliges Lesen und Rechnen-Kunst“. Für diese zahlte man je nach Bildungsgrad pro Quartal 18, 24, 30 oder 45 Kreuzer Schulgeld. Im Winter mussten die
Schüler zusätzlich zum Schulgeld noch Holz in die Schule bringen, und wer keines brachte, zahlte pro Quartal 15 kr mehr. Für die Eltern kamen zum
Unterrichtsgeld noch die Kosten für die Schulsachen dazu. Das waren damals: „A.B.C. Taferl, Namen-Büchl, Katechismus, Evangeli-Büchl, Schreibpapier und
Tinte“ – die Angaben finden sich im Stadtarchiv in Abrechnungen des Schulrektors Franck für eine Schulstiftung. Nach diesen Abrechnungen kosteten Schulgeld
und Schulsachen zusammen 2 Gulden 30 Kreuzer pro Jahr (1 Gulden = 60 Kreuzer). Für Joseph Haydn, der im Schulhaus wohnte, musste sein Vater
vermutlich auch Kostgeld bezahlen.
Die Kinder kamen um 7 Uhr früh in die Schule, gingen um 10 Uhr in die Messe und danach nach Hause. „Nachmittag um
12 Uhr“ kamen sie wieder in die Schule und blieben bis 3 Uhr im Unterricht. Alle Unterrichtsstufen wurden gemeinsam in
der „Schulstube“ unterrichtet. (Dadurch konnten klügere Schüler schneller weiterkommen, weil sie den Unterricht der
höheren Stufen mithörten.) Wahrscheinlich aus dem Jahre 1770 stammt ein undatiertes Blatt mit Angabe der Schülerzahl.
Danach durchliefen in einem Jahr 70-80 Kinder die Stadtschule; zu Joseph Haydns Zeit dürften es nicht viel weniger
gewesen sein. (Im 18. Jhd. wuchs Hainburg nämlich noch relativ langsam: im Schnitt um „0,6 Häuser“ pro Jahr.)
Der kleine Joseph Haydn konnte damals auf ganz neuen, anscheinend bequemeren Schulbänken sitzen – denn 1738 ließ
die Stadtführung aufgrund der Empfehlung ihrer „Schul-Commissarien“ im Schulhaus die Bänke erneuern „zu mehrer
Accomodierung der Jugend“ (Ratsprotokoll von 1738), sowie die Stiege in den ersten Stock, wo sich damals die Schulstube
befand, ausbessern. In jedem Falle bot die Stadtschule in Hainburg für damalige Verhältnisse eine recht brauchbare
Grundausbildung. Am wichtigsten aber war, dass das Kind Joseph Haydn hier Möglichkeiten hatte, verschiedene Instrumente und Grundlagen der Musik zu
erlernen.
Auch die Bänke dieser Kirche stammen noch aus der Zeit Haydns.
Touristen und Kirchenbesucher haben also in Hainburg die einmalige
Gelegenheit, in einer der Bänke möglicherweise auf einem Platz zu
sitzen, den einstmals Joseph Haydn „besessen“ hat.